Vier Konkurrenzen und fünf Sieger – Lokalmatador Delf Gohlke zweimal vorn
Wolfgang Thalheim, Chef der Tennisabteilung des Charlottenburger Vereins für Körperkultur 1901 e.V. mit der schönen Postadresse Maikäferpfad 36, hat die Anfänge seiner Sparte noch sehr gut in Erinnerung. Ist ja auch noch nicht allzu lange her.
Bei der Faustball-WM 2007 in Oldenburg hatte der einstige Aktive dieser heutzutage leicht exotisch anmutende „Ball über die Schnur“-Sportart von Mitgliedern seines Stammvereins VfK, der 2009 Deutscher Meister war, gehört, dass es bei 01 jetzt auch Möglichkeiten zum Tennisspielen gebe. „Das hörte sich für einen leidenschaftlichen Freizeitspieler wie mich interessant an. Früher hatte diese Gelegenheit nie bestanden. Da musste man immer weg vom VfK, wollte man das Racket schwingen.“
Von Plänen, eine richtige Abteilung aufzubauen, war die Rede und von Zukunftsvisionen, die sich zunächst wie bloße Spinnerei anhörten. „Inzwischen ist vieles von dieser Spinnerei schon Realität“, freut sich „Vadda Thalheim“, so sein Spitzname, heute. Die in den Medien oftmals als „Klein-Wimbledon“ apostrophierten Rasentennis-Open, die in Berlin und bundesweit eine Einmaligkeit darstellen, gehören dazu. „Gleich im ersten Jahr 2008 „haben wir das ohne wirkliche Ahnung von der Sache durchgezogen, sozusagen im Learning by doing“. Damit sollte der VfK auch als Tennisverein bekannt gemacht werden. In vier Monaten Vorbereitung bis zur Turnier-Premiere galt es jede Menge Probleme zu lösen. „In sechs Wochen wurde der Rasen stufenweise geschnitten, gewalzt, gewässert und ausgeglichen. Es wurden fünf Felder als Einzel- und ein Center Court als Doppel-Feld angelegt“, heißt es in der Imagebroschüre. Die Plätze auf dem Faustballrasen waren zu bestellen, Pfosten für die Netze in den Boden einzubringen, die nach der Tennisnutzung ebenso schnell wieder zu entfernen waren und den Faustball danach nicht behinderten. Begrenzungen für den Ballflug mussten beschafft, die Finanzierung gesichert; eine attraktive Ausschreibung erstellt werden. Thalheim fand für das alles und vieles mehr mit Kreativität und Einsatz eine Lösung. Auch für die Aufstellung der Banden um die sechs Spielfelder, die durch ihren Verkauf für Werbezwecke halfen, die notwendigen Mittel für die Open aufzutreiben.
Seit dreieinhalb Jahren gibt es nunmehr die Tennisabteilung des Vereins, der in diesem Jahr seinen 110. Geburtstag beging. Die Feier dafür fand am Open-Samstag gemeinsam mit der Players Party statt, mit Zehn-Mann-Band und tollem Büffet von hausgebeiztem Lachs über Hühnerschenkel bis Welsfilet und Fruchtspieße mit Kokosraspeln für nur 10 Euro – Zeichen für das ausgezeichnete Standing der jungen Sparte im VfK. Das ist vor allem auch ein Verdienst von Ex-Faustballer Thalheim, der als Integrationsfigur dafür gesorgt hat, dass sich die beiden Abteilungen gemeinsam entwickeln und nicht beargwöhnen. In diesem Jahr haben die von der Baufirma Massivhaus Roth als Hauptsponsor auch tatsächlich „massiv“ unterstützten Open zum vierten Male stattgefunden – sie sind im Mega-Veranstaltungsort Berlin mit seinem überbordenden Sportprogramm eine Erfolgsgeschichte geworden. Horst Roth, Senior-Geschäftsführer des Unternehmens mit Sitz im mecklenburgischen Dambeck und in Berlin, hat „sein“ Turnier ins Herz geschlossen und noch große Pläne damit (siehe Interview).
Turnierdirektor Wolfgang Thalheim blickt mit Stolz auf das Erreichte und sagt: „Wir haben bei Null begonnen, heute können wir 200 Mitglieder vorweisen. Acht Teams in fünf Altersklassen stehen im Spielbetrieb, weitere Plätze sind entstanden und über eine Halle denken wir nach.“ Die Idee vom „Klein-Wimbledon“ mit Erdbeeren & Sahne, Prosecco und „rein weißer“ Tenniskleidung zog und so hielt das sportlich regional begrenzte Ereignis in überregionale Schlagzeilen Einzug. 2009 und 2010 wurden diverse Verbesserungen eingeführt, was von über 80 Teilnehmern, darunter 25 Prozent Auswärts-Gästen, honoriert wurde. Das zahlte sich auch betriebswirtschaftlich aus. Bei der dritten Auflage 2010 gab es für den VfK einen Gewinn von mehreren tausend Euro. Dass die Rasentennis-Open freilich nicht nur von dem grünen Umfeld (das im Unterschied zu Halle/Westfalen tatsächlich diese Farbe aufweist) und dem weiteren Drumherum, sondern vor allem vom sportlichen Niveau der Wettbewerbe leben, zeigten die Darbietungen dieses Jahres. Vier Konkurrenzen – Damen, Herren, Herren 40+ und Junioren – standen bei dem Preisgeldturnier mit Ranglistenpunkten und Sachpreisen auf dem Programm. Am besten besetzt war das Herren-Feld, in dem eine 32er Hauptrunde ausgespielt werden konnte.
Ausgerechnet dieses Entscheidung aber wurde am Abschluss-Sonntag dann mit dem Wegfall des Endspiels zwischen Lokalmatador Delf Gohlke (VfK), der zuvor bereits die U18-Konkurrenz mit 6:4,6:7 und 6:1 gegen Nicolas Barz (LTTC Rot-Weiß) gewonnen hatte, noch ein Opfer des Wetters. Heftige Regengüsse sorgten ganz wimbledongerecht dafür, dass das Finale nicht mehr ausgetragen werden konnten – und so gab es halt zwei Gewinner mit Gohlke und dem Kölner Rene Hirschfeld (RW Königsdorf), nachdem sich die beiden geeignet hatten, sich die 500 Euro Siegprämie zu teilen. Hirschfeld brachte gemeinsam mit den Eltern justament zu diesem Zeitpunkt ein paar Tage in der Hauptstadt zu. „In der Fachpresse hatte ich von dem Turnier gelesen, und dachte mir, das wäre doch was“, berichtete er. „Ich mag solche Turniere, die ein bisschen anders sind. Es war Klasse, was man hier auf die Beine gestellt hat. Wenn's irgend geht, bin ich im nächsten Jahr wieder dabei, und dann haben Delf und ich ja wieder eine Chance, festzustellen, wer der Stärkere von uns beiden ist“, sagte der 34-jährige Domstädter.
Der ungesetzte Hirschfeld war zweifellos die Überraschung im Herrenturnier. Vier klare Erfolge ohne Satzverlust brachten ihn ins Finale. Zunächst warf er die Nummer 2 der Setzliste Nikolas Holzen (Wespen) mit 6:2,6:4 raus, dann folgten Felix Dippner (Blau-Weiß/6:2,6:4), die Nummer 7 Benjamin Kunkel (Neuenhagener TC/6:2,6:2) und schließlich mit Kai Scheffrahn (Wespen/6:4, Aufg.) die Nummer 5 des Rankings. Etwas schwerer hatte es da der 18-jährige Gohlke, der nach einem Freilos zum Auftakt gegen Henryk Seeger (Blau-Weiß) beim 6:3,6:7,6:4 ebenso über drei Sätze musste, wie im Halbfinale gegen David Yawalkar aus der Boris-Becker-Stadt Leimen beim gleichlautenden Resultat von 6:3,6:7 und 6:4. Auch in der Runde der besten Acht musste sich Delf Gohlke, dem natürlich zugute gehalten werden muss, dass er jeweils noch die Partien des U18-Wettbewerbs in den Beinen hatte, gegen den 42-jährigen Markus Steiof (BSV 92) beim 7:6,7:5 mächtig strecken und zum Sieg durchkämpfen.
Steiof, Turniersieger 2010 bei den 40ern, stand auch im Jahr darauf wieder im Finale dieser Altersklasse, konnte aber diesmal seinen Erfolg gegen den Gegner von 2010, Peter Kemkes (Lichtenrade), nicht wiederholen. Im durch die Himmelsturzbäche längere Zeit unterbrochenen Endspiel hatten sich beide Kontrahenten darauf geeignet, nach Wetterberuhigung und Entfernung der Platzabdeckung selbiges fortzusetzen. Der Trend des Matches aber kippte nicht mehr. Kemkes, der den ersten Satz mit 6:3 gewonnen hatte, entschied auch den zweiten Durchgang im einen Dreiviertelstunde lang trockenen Wetterfenster mit 7:6 für sich. Das brachte immerhin eine Belohnung von 200 Euro, Steiof musste sich mit der Hälfte bescheiden. Insgesamt waren die drei Konkurrenzen für Damen, Herren und Herren40 mit 2000 Euro Preisgeld ausgestattet. Die eigentliche große Überraschung bei den 40ern hatte Kemkes im Halbfinale mit dem 6:1,3:6,7:5 gegen Top-Favorit Jörgen Aberg (Hermsdorfer SC) vollbracht. Auch im zweiten Match der Vorschlussrunde brauchte Steiof drei Sätze, um gegen Tibor Szabados (GW Baumschulenweg) mit 4:6,6:3 und 6:2 das bessere Ende für sich zu haben.
Die 300 Euro für den Gewinn der Damen-Konkurrenz gingen an die an Nummer 2 gesetzte Laura Reinhard (Lichtenrade), die mit ihrem kraftvollen Spiel das Finalmatch gegen die topgesetzte Linda Fritschken (RW Seeburg) mit 6:4 und 6:3 dominierte, obwohl sie noch am Abend zuvor um 21 Uhr beim Mixed-Endspiel des parallel ausgetragenen Bären-Cups in Wittenau auf dem Platz gestanden hatte. Das Junioren-Finale ging, wie gesagt, an Delf Gohlke, gegen den der tapfer kämpfende Nicolas Barz (Rot-Weiß) zwei Sätze lang auf Augenhöhe spielte, allerdings schon dort zu viele Chancen vergab und dann im entscheidenden Durchgang an der steigenden eigenen Fehlerquote scheiterte.
KLAUS WEISE
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift "Matchball"